von Prof. Dr. Alexander Rasch, Dr. Miriam Thöne & Dr. Tobias Wenzel
Technischer Fortschritt im Bereich des Internets erleichtert es Unternehmen zunehmend, ausgeklügelte Preissetzungsmechanismen anzuwenden. Eine DICE-Studie analysiert die Auswirkungen des weit verbreiteten, aber von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden kritisierten sogenannten Drip Pricing. Bei dieser Art der Preisgestaltung besteht der Produktpreis aus mehreren Komponenten, wobei Unternehmen nur mit einem einzigen Bestandteil des Preises (Köderpreis, Base Price) um Kunden werben. Die anderen Preiskomponenten (Drip Prices) werden erst in späteren Phasen des Kauf-/Bestellprozesses offengelegt. Da die Suche nach alternativen Anbietern kostspielig sein kann, wenn der Kaufprozess erst einmal gestartet wurde, kann dies dazu führen, dass Verbraucher nicht weitersuchen und den Gesamtpreis unterschätzen. Klassische Beispiele sind Preise für Flugtickets, Kreditkartenzahlung, Online-Eintrittskarten, Tourismusabgaben, Entgelte bei Geldautomaten oder Reinigungs- und Servicegebühren bei der Vermittlung von Ferienwohnungen.
Aufgrund der Verbreitung dieser Preistechnik ist ein besseres Verständnis der Mechanismen aus wettbewerbspolitischer als auch aus Verbraucherperspektive angezeigt. Die aktuelle politische Diskussion und die Maßnahmen von Wettbewerbsbehörden in aller Welt unterstreichen dies zusätzlich: Viele der regulatorischen Eingriffe zielen auf die Abschaffung des Drip Pricing. So haben beispielsweise die Europäische Kommission und die Australian Consumer and Competition Commission (ACCC) bei der Preisgestaltung für Flugtickets bestimmte Preistechniken verboten. Fluggesellschaften hatten während des Online-Kaufverfahrens immer neue Entgelte (beispielsweise Treibstoffzuschläge, Zahlung per Kreditkarte) erhoben. Die Europäische Kommission schreibt jetzt vor, dass alle Preiskomponenten übersichtlich in einem einzigen endgültigen Flugpreis darzustellen sind.
Vorgenommen wurden die regulatorischen Eingriffe unter der Prämisse, dass Verbraucher durch diese Art der Preisgestaltung geschädigt werden. Die ökonomische Fachliteratur hatte sich jedoch bisher nicht mit dieser Frage befasst, obwohl es sich bei Drip Pricing nach wie vor um einen wichtigen Aspekt bei der Preisgestaltung auf einer Reihe von Märkten handelt. So versuchen zum Beispiel Fluggesellschaften weiterhin regelmäßig, neue Entgelte für bislang kostenfreie Dienstleistungen durchzusetzen (beispielsweise für Handgepäck oder bei der Sitzplatzvergabe).
Um die Auswirkungen von Drip Pricing auf die Käufer- und Verkäuferseite sowie die Auswirkungen einer Regulierung zu untersuchen, simulieren wir die Marktergebnisse (mit und ohne Drip Pricing) und führen dazu eine experimentelle Analyse durch. Hierbei steht ein Käufer zwei Verkäufern gegenüber. Die Verkäufer legen zwei Preise fest: einen Basispreis und eine weitere Preiskomponente (Drip). Die Käufer beobachten zunächst nur die Basispreise und treffen dann eine vorläufige Kaufentscheidung. Die Offenlegung der zweiten Preiskomponente der Verkäufer ist mit Kosten verbunden. Wir unterscheiden zwei Szenarien: Im ersten Szenario sind die Käufer perfekt darüber informiert, wie hoch die zweite Preiskomponente maximal sein kann. Im zweiten Szenario sind die Käufer nur unvollständig über den maximalen Gesamtpreis informiert. Das zweite Szenario soll solche Märkte widerspiegeln, in denen Verbraucher nicht wissen, ob ein Anbieter Drip Pricing nutzt (beispielsweise, weil Verbraucher nur selten kaufen). Wenn Verbraucher über die mögliche zusätzliche Preiskomponente informiert sind, stellt sich aus theoretischer Sicht ein Ergebnis wie im klassischen Betrand-Wettbewerb ein: Die Verkäufer verlangen hohe zusätzliche Preiskomponenten und niedrige Basispreise, sodass die Gesamtpreise mit den Bertrand-Wettbewerbspreisen übereinstimmen und Verkäufer keinen Gewinn erzielen. Im Gegensatz dazu können Verkäufer mit einem hohen maximalen Wert für die zusätzliche Preiskomponente Gewinne über Wettbewerbsniveau erzielen, wenn Unsicherheit über den maximalen Wert besteht. Bei vollständiger Information der (vorausschauenden) Verbraucher sollte die Preisstrategie keinen Einfluss auf die Marktergebnisse haben. Bei unvollständiger Information hingegen können die Käufer schlechter gestellt werden. Da frühere experimentelle Studien herausgefunden haben, dass Verkäufer auf Duopolmärkten höhere Gewinne erzielen als theoretisch vorhergesagt wird, ist zunächst nicht klar, was passiert, wenn Verkäufer komplexere Preisstrukturen anwenden.
Der Beitrag der Studie besteht darin, dass wir zum einen bewerten, ob die Regulierung zu den gewünschten positiven Auswirkungen für die Verbraucher führt. Zum anderen beurteilen wir potenzielle Effekte der Regulierung, indem wir die Anreize sowohl auf der Unternehmens- als auch auf der Verbraucherseite explizit berücksichtigen.
Unser Experiment gibt Antworten auf vier zentrale Aspekte der wettbewerbspolitischen Diskussion. Erstens analysieren wir die Preisstrategien der Verkäufer bei vollständiger Information der Käufer und sehen, dass die Unternehmen zwar über die Basispreise, nicht aber über die zusätzliche Preiskomponente intensiv konkurrieren. Verglichen mit dem Bertrand-Wettbewerb lässt sich somit der Gesamtpreis durch Drip Pricing erhöhen. Zweitens stellen wir fest, dass Käufer wegen der damit verbundenen Kosten nur sehr wenig nach Alternativen suchen, was ex post betrachtet meist optimal ist, da Verbraucher bei allen Verkäufern gleich hohe zusätzliche Preiskomponenten erwarten. Drittens weisen die Ergebnisse darauf hin, dass die Käufer schlechter gestellt sind, wenn die Unternehmen Drip Pricing nutzen; Unternehmen hingegen profitieren davon. Insofern ist das oben beschriebene Einschreiten vonseiten der Wettbewerbsbehörden durchaus als positiv zu bewerten. Viertens zeigt sich, dass es bei unvollständiger Information über die maximale Höhe der zusätzlichen Preiskomponente zu einem Wettbewerb bei Letzteren kommt, was zu geringeren durchschnittlichen zusätzlichen Preiskomponenten führt. Außerdem haben die Verkäufer Probleme, den günstigsten Anbieter zu finden, weshalb ein Verbot von Drip Pricing gerade hier vorteilhaft für Verbraucher ist, Unternehmensgewinne hingegen sinken.
Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG, Bewilligungsnummer 394803091) unterstützt.
Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.
DICE PUBLIKATION
Alexander Rasch, Miriam Thöne & Tobias Wenzel, Drip Pricing and its Regulation: Experimental Evidence. Journal of Economic Behavior and Organization, 176 (2020), 353 – 370, online verfügbar unter: ideas.repec.org/p/zbw/dicedp/297.html.