Wer ist eigentlich für Affirmative Action und warum?
Warum ist es so schwer Maßnahmen zur Bevorzugung von benachteiligten Gruppen („Affirmative-Action“), wie bspw. eine Frauenquote, einzuführen? Sabrina Herzog, Hannah Schildberg-Hörisch und Jana Willrodt haben für die "Kölner Impulse zur Wirtschaftspolitik" zusammengefasst, was sie in ihrer Forschung zusammen mit Chi Trieu dazu rausgefunden haben. Dieser Beitrag ist zunächst erschienen als Impuls zur Wirtshaftspolitik des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Uni Köln 2/24.
Affirmative Action in der aktuellen Diskussion
Frauenquoten stehen regelmäßig im Zentrum hitzig geführter Debatten. Sie sind ein prominentes Beispiel für ‚Affirmative Action‘ (auf Deutsch: positive Diskriminierung). Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die darauf ausgelegt sind, eine bestehende Benachteiligung bestimmter Gruppen durch gezielte Bevorzugung auszugleichen und die insbesondere im Bildungs- oder Arbeitskontext Anwendung finden. Ziel solcher Maßnahmen ist, historisch begründeter Diskriminierung entgegenzuwirken sowie Diversität und Chancengleichheit zu fördern.
Zuletzt schlug die Diskussion rund um das Thema Affirmative Action hohe Wellen, als der US-Supreme-Court US-amerikanischen Universitäten im Juli 2023 untersagte, im Rahmen der Studierendenauswahl weiterhin Affirmative Action-Maßnahmen in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit anzuwenden. Die Studierendenorganisation ‚Students for Fair Admissions‘ (Studierende für faire Zulassungen) hatte gegen die zuvor angewandten Zulassungskriterien der Harvard University sowie in einem weiteren Fall die der University of North Carolina geklagt, unter anderem mit der Begründung, dass durch die Bevorzugung bestimmter ethnischer Gruppen andere ethnische Gruppen, wie z.B. asiatisch-amerikanische BewerberInnen, benachteiligt würden.
Auch in Deutschland rückte die Entscheidung des US-Supreme-Court das Thema Affirmative Action erneut in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. So kritisierte beispielsweise Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in einem Gastbeitrag im SPIEGEL den Mangel an Chancengleichheit und Diversität im deutschen Hochschulsystem. Er argumentiert, dass Deutschland zwar hinsichtlich der Einführung von Frauenquoten in Vorständen und Aufsichtsräten schon viel richtig macht, dagegen im Hochschulsystem aber nur selten kreativere Lösungen als Abiturnoten als Zulassungskriterium hervorbringt.
Affirmative Action ist also umstritten. Warum aber sind Menschen bei diesem Thema so unterschiedlicher Meinung? Wer ist für und wer ist gegen Affirmative Action und was bedeutet das für die Einführung solcher Programme? Diesen grundlegenden Fragen nähern wir uns in einem aktuellen Diskussionspapier (IZA DP 16640) und zeigen, dass viel dafürspricht, dass Affirmative Action-Maßnahmen wohl auch in Zukunft kontrovers bleiben werden.
Ausgangslage
Obwohl das Thema Affirmative Action regelmäßig Aufmerksamkeit findet, wissen wir relativ wenig darüber, wer für oder gegen entsprechende Maßnahmen ist, und warum. Repräsentative Daten aus 60 Ländern, die über 80% der Weltbevölkerung abdecken, zeigen, dass Frauen Affirmative Action in allen Ländern in größerem Maße befürworten als Männer (73% versus 60%, Bursztyn et al., 2023). In ähnlicher Weise werden in den USA Affirmative Action-Maßnahmen für ethnische Minderheiten von
72% der Afroamerikaner und 66% der Hispanics, aber nur von 57% der Weißen unterstützt (Gallup, 2019). Welche Motive hinter diesen Zahlen stehen ist jedoch unklar. Eigennützige Motive oder der Wunsch, die eigene Gruppe zu bevorzugen (in-group favoritism), könnten ebenso eine Rolle spielen wie unterschiedliche Fairness-Wahrnehmungen oder unterschiedliche Erfahrungen mit Diskriminierung. Falls Affirmative Action-Maßnahmen politisch gewünscht sind, ist es jedoch wichtig zu verstehen, wer für oder gegen diese Maßnahmen ist, wen man überzeugen sollte und wie man dies erreichen kann - denn sie erreichen vor allem dann ihre Ziele effektiv, wenn sie als fair und gut begründet wahrgenommen werden (Schildberg-Hörisch et al., 2023).
Um auf diese Fragen eine Antwort zu finden, nutzen wir zwei Ansätze. Zum einen verwenden wir kausale Evidenz aus einem Online-Experiment und analysieren dabei insbesondere die Rolle eigennütziger Motive sowie gruppeninterner Bevorzugung für die Zustimmung zu Affirmative Action. Die Ergebnisse aus dem Experiment kombinieren wir mit Umfragedaten zu einer breiten Palette weiterer möglicher Faktoren hinter der Zustimmung zu verschiedenen Affirmative Action-Maßnahmen. Experiment und Umfrage beruhen auf Daten, die hinsichtlich Alter und Geschlecht repräsentativ für die Vereinigten Staaten sind. In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit sind die Daten divers, wenn auch nicht vollständig repräsentativ.
Experiment
In unserem Experiment nutzen wir folgende Wettbewerbssituation: jeweils sechs WettbewerbsteilnehmerInnen treten für fünf Minuten in einer Wortentschlüsselungsaufgabe gegeneinander an, in der für die Buchstaben der nach und nach angezeigten Wörter die entsprechenden Zahlenkombinationen eingegeben werden müssen, die in einer darunter stehenden Tabelle zu finden sind (siehe Abb. 1). Je Wettbewerb werden zwei GewinnerInnen ermittelt, die einen Preis in Höhe von 6 USD erhalten. Gewonnen hat, wer am Ende die meisten Buchstabenfolgen entschlüsselt hat. Die Aufgabe ist einfach zu verstehen und erfordert kein Vorabwissen, erzeugt aber trotzdem genügend Varianz, sodass sich die Anzahl der entschlüsselten Wörter innerhalb einer Gruppe unterscheidet und Gewinner ermittelt werden können. Außerdem können die Wörter relativ schnell entschlüsselt werden, sodass nicht zu erwarten ist, dass TeilnehmerInnen aus Langeweile aus der Aufgabe aussteigen. In jedem Wettbewerb werden die TeilnehmerInnen zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt: die TeilnehmerInnen in der einen Gruppe werden diskriminiert, indem ihre Gesamtzahl der korrekt entschlüsselten Buchstabenfolgen mit dem Faktor 0.9 multipliziert wird, wohingegen die Leistung der nicht diskriminierten Gruppe nicht herabgestuft wird (Faktor 1). Der Wettbewerb findet in Gruppen von sechs Personen statt, von denen jeweils drei diskriminiert und drei nicht diskriminiert werden. Die TeilnehmerInnen wissen, ob sie zur diskriminierten Gruppe gehören oder nicht.
Als Affirmative Action-Maßnahme kann in unserem Experiment eine 50%-Quote für diskriminierte TeilnehmerInnen eingeführt werden, die sicherstellt, dass mindestens eine diskriminierte Person unter den beiden GewinnerInnen ist. Falls bereits ohne die Quote mindestens eine/r der GewinnerInnen eine diskriminierte Person ist, dessen Leistung weniger zählt, ändert die Quote also die Zusammensetzung der GewinnerInnen nicht. Sind aber beide GewinnerInnen aus der nicht diskriminierten Gruppe, wird der oder die ursprüngliche Zweitplatzierte durch die Person aus der diskriminierten Gruppe mit der höchsten Anzahl entschlüsselter Buchstabenfolgen ersetzt.
In drei Treatments unterscheidet sich nun, wer darüber entscheidet, ob die Quote eingeführt wird oder nicht. In Treatment PARTIAL entscheiden die WettbewerbsteilnehmerInnen selbst. Durch diese Herangehensweise können wir eigennützige Motive untersuchen, indem wir analysieren, ob die TeilnehmerInnen sich eher für die Einführung der Quote aussprechen, wenn sie selbst davon profitieren (also in der diskriminierten Gruppe sind) bzw. sich eher dagegen aussprechen, wenn die Einführung der Quote ihre Gewinnchancen verschlechtert, wie dies für nicht diskriminierte Individuen der Fall ist.
In den beiden anderen Treatments, SPEC und SPEC-TYPE, nehmen die Entscheidenden nicht selbst am Wettbewerb teil. Stattdessen entscheiden sie über die Einführung der Quote für eine andere Gruppe im Wettbewerb, sodass eigennützige Motive keine Rolle spielen können. Sie nehmen also die Rolle von BeobachterInnen ein. Genau wie im Treatment PARTIAL werden die TeilnehmerInnen im Treatment SPEC-TYPE entweder der diskriminierten oder der nicht diskriminierten Gruppe zugeordnet (ohne dass diese Gruppenzugehörigkeit für sie konkrete Konsequenzen hat). Im Treatment SPEC hingegen gehören die Entscheidenden keiner der beiden Gruppen an und nehmen daher eine komplett neutrale Position ein, sodass bei ihrer Entscheidung über die Quote weder eigennützige Motive noch eine Bevorzugung der Individuen aus der eigenen Gruppe eine Rolle spielen kann. Der Vergleich der Entscheidungen der BeobachterInnen mit und ohne Gruppenzugehörigkeit ermöglicht uns, zu quantifizieren, wie stark das Motiv, die eigene Gruppe zu bevorzugen, die Zustimmung zur Quote beeinflusst.
Ergebnisse des Experiments
Die Ergebnisse des Experiments dokumentieren, dass eigennützige Motive die Zustimmung zur Quote stark beeinflussen. Abbildung 2 zeigt, dass mit 57% eine Mehrheit der neutralen BeobachterInnen ohne Gruppenzugehörigkeit (SPEC) für die Einführung der Quote ist. Im Vergleich dazu sprechen sich 76% der diskriminierten TeilnehmerInnen (PARTIAL disadv.), aber nur 32% der nicht diskriminierten TeilnehmerInnen am Wettbewerb (PARTIAL adv.) für die Quote aus, ein großer und statistisch hoch signifikanter Unterschied. Die Zustimmung zur Quote sinkt oder steigt also stark, je nachdem, ob die TeilnehmerInnen von ihr profitieren oder durch ihre Einführung schlechtere Gewinnchancen im Wettbewerb haben.
Die Rolle der Bevorzugung der eigenen Gruppe lässt sich durch den Vergleich der Entscheidungen der BeobachterInnen mit und ohne Gruppenzugehörigkeit isolieren: hier sind die BeobachterInnen, die der diskriminierten Gruppe zugeteilt wurden (SPEC-TYPE disadv.) weniger häufig für die Quote, als komplett neutrale Entscheidende (SPEC), und die, die der nicht diskriminierten Gruppe zugeteilt wurden (SPEC-TYPE adv.), häufiger für die Quote, als neutrale Entscheidende (SPEC). Der Unterschied in der Befürwortung der Quote zwischen den beiden SPEC-TYPE Gruppen ist zwar signifikant, der Unterschied zu den neutralen BeobachterInnen jedoch nicht (Um sicherzustellen, dass eine Identifikation mit der eigenen Gruppe stattgefunden hat, fragen wir die TeilnehmerInnen in der Umfrage folgendes: Inwieweit sind Sie bereit, WettbewerbsteilnehmerInnen aus der eigenen/anderen Gruppe zu helfen?; Inwieweit identifizieren Sie sich mit WettbewerbsteilnehmerInnen aus der eigenen/ anderen Gruppe?; Möchten Sie Smileys an WettbewerbsteilnehmerInnen der eigenen/anderen Gruppe senden? Dabei zeigt sich, dass in allen drei gemessenen Dimensionen die Identifikation mit der eigenen Gruppe deutlich und statistisch signifikant (Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test, p < 0.001) höher ist als die mit der anderen Gruppe). Die gruppeninterne Bevorzugung scheint demnach in dem Experiment zwar eine kleine, aber nicht so bedeutende Rolle für die Entscheidung über die Quote zu spielen. Zusammenfassend lässt sich als zentrales Ergebnis des Experiments festhalten, dass eigennützige Motive eine starke Rolle bei der Zustimmung zu Quoten spielen, während das Motiv, die eigene Gruppe zu unterstützen (also z.B. andere Frauen), deutlich weniger wichtig ist.
Umfrage
Neben dem Experiment nehmen die TeilnehmerInnen auch an einer zweiteiligen Umfrage teil. Im ersten Teil sammeln wir Angaben zu soziodemographischen Daten, Risikopräferenzen, Altruismus, Effizienzpräferenzen, der politischen Orientierung, Fairnesswahrnehmungen und früher erlebter Diskriminierung. Anhand dieser Daten können wir zusätzlich Aufschluss darüber gewinnen, welche Kriterien bei der Entscheidung über die Quote eine Rolle spielen. Zum anderen basieren die Ergebnisse aus unserem Experiment natürlich auf Grundlage einer künstlichen Diskriminierung und es mag Unterschiede darin geben, ob man für eine Quote in einem Experiment oder für Affirmative Action-Maßnahmen in der realen Welt ist. Um daher auch die externe Validität unserer Ergebnisse zu überprüfen, erheben wir im zweiten Teil der Umfrage Evidenz zu den Zustimmungsraten von Affirmative Action-Maßnahmen, die häufig außerhalb des Labors zu finden sind und übliche Diskriminierungsquellen adressieren. In Tabelle 2 ist zu sehen, wie viele unserer TeilnehmerInnen sich jeweils für oder gegen Affirmative Action-Maßnahmen für Frauen, ethnische Minderheiten und Menschen mit Behinderungen aussprechen, oder keine Meinung zu diesen Maßnahmen haben. Bei allen drei Affirmative Action-Maßnahmen ist mit mehr als 70% eine breite Mehrheit für entsprechende Maßnahmen. Jeweils ca. 14% sprechen sich gegen die Maßnahmen aus, oder haben keine Meinung dazu. Grundsätzlich scheint es also durchaus Unterstützung für Affirmative Action-Maßnahmen in der Bevölkerung zu geben.
Meinung zu Affirmative Action-Maßnahmen für … | ||||
---|---|---|---|---|
Dafür | Dagegen | Keine Meinung | ||
Frauen | 71.74% | 13.99% | 14.27% | |
N | 523 | 102 | 104 | |
Ethnische Minderheiten | 71.88% | 14.40% | 13.72% | |
N | 524 | 105 | 100 | |
Menschen mit Behinderungen | 70.64% | 13.99% | 15.36% | |
N | 515 | 102 | 112 |
Wir analysieren die Daten zu den Einflussfaktoren anhand von Probit-Regressionen, bei denen wir die marginalen Effekte der einzelnen Charakteristiken auf die Zustimmung zur Quote im Experiment, sowie jeweils auf die Zustimmung zu den drei oben genannten Affirmative Action-Maßnahmen ausrechnen.[1] Somit können wir analysieren, welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung erhöhen. Wir untermauern unsere Ergebnisse durch eine LASSO (least absolute shrinkage and selection operator) Regression, einem Machine Learning Ansatz, der unter anderem zur Auswahl von Variablen verwendet wird.
Sowohl im Experiment als auch bei den Affirmative Action-Maßnahmen aus der realen Welt spielen sozio-demographische Angaben eine geringere Rolle als individuelle Charakteristiken. Bezüglich der sozio-demographischen Angaben sind die TeilnehmerInnen mit zunehmendem Alter und Einkommen tendenziell eher gegen alle vier Maßnahmen. Dahingegen sind Personen, die derzeit einer Beschäftigung nachgehen, eher dazu bereit, die Quote und die Affirmative Action-Maßnahmen zu unterstützen. Eine mögliche, aber spekulative, Begründung könnte sein, dass mit einer Beschäftigung die Exposition und/oder Sensibilität für unserem Experiment ähnelnden Situationen erhöht wird, in denen Belohnungen für arbeitsbezogene Leistungen nicht gleichmäßig verteilt sind. Unterschiede zwischen dem Experiment und den weiteren Maßnahmen ergeben sich beim Geschlecht und der Ethnizität: Männer und weiße Personen sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für die Quote im Experiment, unterstützen jedoch weniger wahrscheinlich die realen Affirmative Action-Maßnahmen (im Gegensatz zu Frauen und nicht-binären Personen). Entgegen unserem experimentellen Design können hier eigennützige Motive oder gruppeninterne Bevorzugung eine Begründung sein: so könnten sich die Chancen von Männern beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt durch Affirmative Action-Maßnahmen für Frauen (vermeintlich) verschlechtern und weiße Personen könnten aus egoistischen Gründen gegen die Bevorzugung von ethnischen Minderheiten sein.
Auch ein Großteil der individuellen Charakteristiken wirkt sich gleichermaßen auf die Quotenregel im Experiment und die drei weiteren Affirmative Action-Maßnahmen aus: altruistischere TeilnehmerInnen und Personen, denen Fairness wichtiger ist sprechen sich eher für die vier Maßnahmen aus, wobei insbesondere Fairness ein starker Treiber ist. Dahingegen stimmen Personen, denen Effizienz wichtiger ist, weniger wahrscheinlich für die Maßnahmen. Im Fall der Affirmative Action-Maßnahmen außerhalb des Labors kommt außerdem die politische Orientierung als Einflussfaktor hinzu. Dabei sind konservativere TeilnehmerInnen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für die Maßnahmen.
Etwas überraschend wirkt die eigene Erfahrung mit Diskriminierung: entgegen den Ergebnissen aus unserem Experiment, in dem Personen, die Diskriminierung häufiger selbst erlebt haben, eher für die Quotenregel sind, sprechen sie sich in der Umfrage eher gegen die drei realen Affirmative Action-Maßnahmen aus. Möglicherweise wird dies durch bisherige negative Erfahrungen mit entsprechenden Maßnahmen beeinflusst, wie beispielsweise deren Unwirksamkeit oder negative Erfahrungen nach Einführung der Maßnahmen. Solche Faktoren sind in unserem Experiment ausgeschlossen, sodass dieselben Personen in diesem künstlichen Fall vielleicht trotzdem eine ausgleichende Maßnahme bevorzugen würden.
Fazit und Bedeutung für die Einführung von Affirmative Action Maßnahmen
Wie auch an der öffentlichen Debatte im Anschluss an die Entscheidung des US-Supreme-Court 2023 zu sehen war, sind Affirmative Action-Maßnahmen Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Gleichzeitig ist für die Einführung solcher Maßnahmen aber eine breite Unterstützung wichtig, damit sie ihr volles Potential entfalten und negative Reaktionen gegen die Zielgruppen vermieden werden (Leibbrandt et al., 2017; Fallucchi and Quercia, 2018; Leibbrandt and List, 2018; Schildberg-Hörisch et al., 2023). Wenn solche Programme also aus gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht sind, ist für politische Entscheidungsträger und Interessensvertreter wichtig zu verstehen, wen es zu überzeugen gilt und welche Bedenken angesprochen werden sollten.
Da diejenigen, die von Affirmative Action-Maßnahmen profitieren, diese viel wahrscheinlicher unterstützen als diejenigen, die ohne diese Maßnahmen bessergestellt sind, wird Affirmative Action kontrovers bleiben. Diese starke Rolle eigennütziger Motive ist nicht sehr überraschend. Dennoch scheint es wichtig, sie evidenzbasiert aufzuzeigen, da Menschen selten offenherzig in öffentlichen Debatten argumentieren, dass sie entsprechende Maßnahmen unterstützen (oder ablehnen), weil sie persönliche Vorteile (oder Nachteile) erwarten. Im Gegensatz zu den eigennützigen Motiven, spielt die Bevorzugung der eigenen Gruppe (bspw. Frauen oder MigrantInnen) eine viel kleinere Rolle, was in Zeiten zunehmend polarisierter Gesellschaften als gute Nachricht angesehen werden kann.
Hervorzuheben ist, dass unsere Ergebnisse nahelegen, dass Informationen über die Konsequenzen von Affirmative Action die Haltung der Menschen dazu ändern können. Personen, die befürchten, dass sich Quoten negativ auf die Effizienz auswirken (beispielsweise, weil sie glauben, dass Stellen mit weniger qualifizierten Personen besetzt werden), könnten damit konfrontiert werden, dass dies üblicherweise nicht der Fall ist (Schildberg-Hörisch et al., 2023). Ein Beispiel dafür sind Frauenquoten: im Vergleich zu Männern sind Frauen durchschnittlich risikoaverser und weniger zuversichtlich bezüglich ihrer eigenen Leistung, sodass selbst hochqualifizierte Frauen oft nur dann an Wettbewerben teilnehmen oder sich auf kompetitive Führungspositionen bewerben, wenn eine Frauenquote vorhanden ist (siehe, z.B. Balafoutas and Sutter, 2012; Besley et al., 2017; Ibanez and Riener, 2018; Kölle, 2017; Niederle et al., 2013; van Velhuizen, 2022). Eine Frauenquote kann unter diesen Umständen dazu beitragen, dass die geeignetsten KandidatInnen am Wettbewerb teilnehmen und so zu effizienteren Ergebnissen führen.
Zudem wird die Akzeptanz von Affirmative Action-Maßnahmen erhöht, wenn sie als fair wahrgenommen werden und Chancengleichheit schaffen. Folglich sind Begründungen für die Einführung entsprechender Maßnahmen, wie beispielsweise Nachweise über die tatsächliche Diskriminierung der Zielgruppe entscheidend, um eine breite Unterstützung für Affirmative Action zu erreichen. Auch das Hervorheben der positiven Konsequenzen von Affirmative Action kann hilfreich sein. So können zum Beispiel bindende Frauenquoten für Frauen den Vorteil haben, von Netzwerken innerhalb eines Unternehmens in ähnlichem Ausmaß zu profitieren, wie Männer dies üblicherweise tun (Burzynska and Contreras, 2020). Eine größere Unterstützung für Affirmative Action-Maßnahmen scheint also durchaus realisierbar.
[1] Tabelle 2 am Ende des Textes zeigt die Ergebnisse der marginalen Effekte der Probitregression auf die Zustimmung zur Quote im Experiment, separat für die soziodemographischen Charakteristiken, die ökomischen und politischen Präferenzen, die Fairnesswahrnehmungen, sowie für alle erklärende Variablen. Die Tabelle zeigt zudem die Variablenauswahl durch die LASSO Regression.
Tabelle 2: Die Rolle der sozio-demographischen Charakteristiken, ökonomischen und politischen Präferenzen, Erfahrungen mit Diskriminierung und Fairnesswahrnehmungen
Literatur
Balafoutas, Loukas and Sutter, Matthias (2016). “Affirmative Action or just Discrimination? A Study on the Endogenous Emergence of Quotas.” Journal of Economic Behavior and Organization, 127, 87-98.
Besley, Timothy, Folke, Olle, Persson, Torsten, and Rickne, Johanna (2017). “Gender Quotas and the Crisis of the Mediocre Man: Theory and Evidence from Sweden.” American Economic Review, 107(8), 2204-2242.
Bursztyn, Leonardo, Cappelen, Alexander W., Tungodden, Bertil, Voena, Alessandra, and Yanagizawa-Drott, David (2023). “How are Gender Norms Perceived?” NBER Working Paper No. 31049.
Erkal, Nisvan, Gangadharan, Lata, and Nikiforakis, Nikos (2011). “Relative Earnings and Giving in a Real-Effort Experiment.“ American Economic Review, 101(7), 3330-48.
Fallucchi, Francesco and Quercia, Simone (2018). “Affirmative Action and Retaliation in Experimental Contests.” Journal of Economic Behavior and Organization, 156, 23-40.
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Ibanez, Marcela and Riener, Gerhard (2018). “Sorting through Affirmative Action: Three Field Experiments in Colombia.“ Journal of Labor Economics, 36(2), 437-478.
Kölle, Felix (2017). “Affirmative Action, Cooperation, and the Willingness to Work in Teams.” Journal of Economic Psychology, 62, 50-62.
Leibbrandt, Andreas, Wang, Liang Choon, and Foo, Cordelia (2017). “Gender Quotas, Competitions, and Peer Review: Experimental Evidence on the Backlash Against Women.” Management Science, 64(8), 3501-3516.
Leibbrandt, Andreas, List, John A. (2018). “Do Equal Employment Opportunity Statements Backfire? Evidence From A Natural Field Experiment On Job-Entry Decisions.” NBER Working Paper Series No. 2503.
Niederle, Muriel, Segal, Carmit, and Vesterlund, Lise (2013). “How Costly Is Diversity? Affirmative Action in Light of Gender Differences in Competitiveness.“ Management Science, 59(1), 1-16.
Schildberg-Hörisch, Hannah, Schwarz, Marco A., Trieu, Chi, and Willrodt, Jana (2023). “Perceived Fairness and Consequences of Affirmative Action Policies.“ The Economic Journal, 133(656), 3099-3135.
van Veldhuizen, Roel (2022). “Gender Differences in Tournament Choices: Risk Preferences, Overconfidence, or Competitiveness?” Journal of the European Economic Association, 20(4), 1595-1618.