Zum Inhalt springenZur Suche springen

NEWS

Kraftstoffmärkte: Niedrigere Preise durch weniger Transparenz

In Deutschland können sich Konsumenten über alle Benzinpreise informieren, in Österreich nur über die günstigsten. Würde man auch in Deutschland die Transparenz derartig einschränken, könnten Benzinpreise um ca. 1 % sinken.

 

von Dr. Simon Martin

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind Tankstellen per Gesetz verpflichtet, jede Benzinpreisänderung sofort an eine zentrale Datenbank zu melden. In Deutschland wird diese Datenbank von der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) am Bundeskartellamt betrieben, in Österreich von der Energie-Regulierungsbehörde e-control. Diese Preise werden Konsumenten dann per Website oder App am Smartphone zugänglich gemacht. Dadurch soll die Transparenz auf Kraftstoffmärkten erhöht werden, was zu intensiverem Wettbewerb und somit zu niedrigeren Preisen führt. In einem zentralen Punkt unterscheiden sich aber die Preistransparenz in Deutschland und Österreich. In Deutschland können Konsumenten alle Preise abrufen, die in der Datenbank der MTS-K gespeichert sind (siehe Abbildung 1). In Österreich hingegen werden nur die Preise der fünf günstigsten Tankstellen in der Nähe angezeigt. Zu den weiteren Tankstellen wird lediglich die Information gegeben, dass sie derzeit nicht unter den fünf günstigsten Tankstellen sind (siehe Abbildung 2). Die österreichische Regelung bringt in diesem Sinne also weniger Transparenz. Der Grund dafür sind Kollusionsbedenken: Wenn Konsumenten alle Preise sehen können, dann können das auch die Tankstellen, was die gegenseitige Überwachung von etwaigen impliziten oder expliziten Preisabsprachen vereinfacht.

Es gibt aber noch weitere Gründe, die für eine Verringerung der Transparenz sprechen. Wenn die Regulierung es zulässt, dass nicht nur die fünf günstigsten, sondern alle Preise veröffentlicht werden, hat dies Folgen für die Preissetzung der Unternehmen: Der Benzinpreis an einer bestimmten Tankstelle ist dann jederzeit per App oder Webseite abrufbar, egal wie hoch er ist. Dadurch werden auch Konsumenten angelockt, die bereit sind einen höheren Preis zu bezahlen, beispielsweise weil die Tankstelle verkehrstechnisch günstig gelegen ist oder weitere Services bietet.

Wenn hingegen die Regulierung nur eingeschränkte Transparenz erlaubt, sodass Konsumenten stets nur über die günstigsten Preise informiert werden, müssen Tankstellenbetreiber genau das auch in ihrer Preissetzung berücksichtigen. Sind sie in einer Region nicht unter den günstigsten fünf Anbietern, erscheint ihr Preis nicht in der Liste. Um Konsumenten über den eigenen Preis zu informieren, muss eine Tankstelle also einen Preis setzen, der relativ zum Preis der anderen Tankstellen günstig ist. Genau diese Abhängigkeit der Information von sämtlichen Preisen verursacht intensiven Wettbewerb, um überhaupt in der Liste der billigsten Anbieter angezeigt zu werden.

Durch eine Reduktion der Transparenz könnten die Spritpreise laut unseren Berechnungen um ca. 1 % sinken. Insbesondere der Spritpreis, den die Autofahrer tatsächlich zahlen, würde sinken, weil Konsumenten noch stärker dazu angespornt werden, bei günstigen Anbietern zu tanken. Dies ist ein bemerkenswert starker Effekt, wenn man bedenkt, dass das eine sehr moderate Anpassung der bereits bestehenden Regulierung ist.

Es mag in diesem Zusammenhang naheliegend erscheinen, einfach die Spritpreise in Deutschland und Österreich miteinander zu vergleichen und dementsprechend Handlungsempfehlungen für die Regulierung von Markttransparenz abzuleiten. Leider ist so ein Vergleich irreführend, weil sich die beiden Länder in zahlreichen weiteren Aspekten unterscheiden. So herrschen beispielsweise unterschiedliche Steuersätze. Zudem dürfen Tankstellen in Österreich den Preis nur einmal pro Tag erhöhen – nämlich zu Mittag – wohingegen Tankstellen in Deutschland in ihrer Preissetzung keine gesetzlichen Riegel vorgeschoben werden. Um die Frage zu beantworten, wie sich Preise in Deutschland wahrscheinlich entwickeln würden, wenn die Transparenz nach österreichischem Vorbild reduziert werden würde, wurde in der Studie ein ökonomisches Modell des deutschen Kraftstoffmarktes entwickelt.

Es ist wichtig hervorzuheben, dass dieser Ansatz keinerlei Absprachen oder sonstiges kartellrechtswidriges Verhalten von Tankstellenbetreibern unterstellt oder annimmt. Die beschriebenen Effekte treten auf, obwohl die Tankstellen miteinander im Wettbewerb stehen. Gerade weil die Tankstellen untereinander um die „Aufmerksamkeit“ der Konsumenten konkurrieren, könnte die Reduktion der Transparenz auch zu einer Reduktion der Preise führen. Sollten zusätzlich Bedenken bezüglich Absprachen herrschen – wie in der ursprünglichen österreichischen Regulierung – so wäre das ein weiterer Grund, die Transparenz zu reduzieren.

Noch stärkere Preisreduktionen ließen sich erzielen, wenn noch mehr Nutzer als bisher online Preise vergleichen und auch ihr Tankverhalten dementsprechend anpassen würden. Wenn Tankstellen wissen, dass Konsumenten nur dann kommen, wenn sie tatsächlich gerade günstig sind, und nicht nur, weil Konsumenten aus Gewohnheit ohnehin tanken, dann intensiviert das wiederum den Wettbewerb. Allerdings ist ein Online-Preisvergleich mit Aufwand verbunden, die günstigste Tankstelle vielleicht etwas weiter entfernt usw., sodass diese Möglichkeit mit Unannehmlichkeiten für manche Konsumenten verbunden ist. Eine Reduktion der Transparenz hingegen würde nur eine einfache Anpassung von bereits bestehender Software erfordern.

Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.

DICE PUBLIKATION

Simon Martin (2020), Market Transparency and Consumer Search-Evidence from the German Retail Gasoline Market. DICE Discussion Paper No 350, online abrufbar unter: ideas.repec.org/p/zbw/dicedp/350.html.

Kategorie/n: DICE-Meldung, Forschungkompakt
Verantwortlichkeit: