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Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter

Der Verbraucherschutz nimmt nicht zuletzt durch digitale Angebote einen neuen Stellenwert in Gesellschaft und Politik ein. Da ist es nicht verwunderlich, dass sowohl innerhalb der Europäischen Union (EU), als auch durch die World Trade Organization (WTO) neue Verbraucherschutzstandards gefordert und gefördert werden, welche Verbraucherrechte stärken. Im Rahmen einer Studie wurde nun untersucht, wie sich die 2005 eingeführte EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken auf den grenzüberschreitenden Konsum von Verbrauchern und deren Vertrauen ausgewirkt hat.

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Von Anja Rösner

Während im Jahr 2017 etwa die Hälfte aller Konsumenten in der Europäischen Union online einkaufte, taten dies nur zirka 13 % über die eigenen Ländergrenzen hinaus. Das hat verschiedene Gründe, wie zum Beispiel sprachliche Barrieren, kulturelle Unterschiede oder Vertrauenskonflikte. Da dies in Kontrast mit den Zielen eines einheitlichen digitalen Marktes innerhalb der EU steht, hat die Europäische Kommission im Jahr 2005 die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (Unfair Commercial Practice Directive, UCPD) verabschiedet, die EU-weite Mindeststandards im Verbraucherschutz schafft. Die Richtlinie wurde sodann sukzessive zwischen 2007 und 2010 in den Mitgliedstaaten in nationale Gesetze überführt. Dabei gab es einige EU-Länder, die bereits einen sehr hohen Verbraucherschutzstandard hatten, wie zum Beispiel Deutschland oder Österreich. Im Gegensatz dazu waren der gesetzlich festgelegte Verbraucherschutzstandard vor der Einführung der UCPD in anderen Ländern sehr niedrig. Diese Diskrepanz lässt einen Vergleich zwischen Ländern mit anfänglich niedrigen und Ländern anfänglich höheren Verbraucherschutzstandards zu. So lässt sich ergründen, wie sich die Richtlinie auf verschiedene EU-Länder ausgewirkt hat.

Unsere Studie zeigt, dass Mindeststandards im Verbraucherschutz das Verbrauchervertrauen und ihr Verhalten im Sinne eines digitalen gemeinsamen Markts innerhalb der EU verbessert haben. Dabei haben vor allem Konsumenten aus Ländern mit einem ursprünglich niedrigen Verbraucherschutzlevel profitiert. Die UCPD hat zu einem signifikanten Anstieg des Verbrauchervertrauens, aber auch des Vertrauens in die durchsetzenden Behörden und einem Anstieg des grenzüberschreitenden Konsums geführt. Dieses Ergebnis finden wir allerdings ausschließlich für Länder, die vor der Einführung der UCPD einen relativ niedrigen Verbraucherschutzstandard hatten. Das ist insofern nicht verwunderlich, als dass sich für Konsumenten in Ländern mit einem höheren Verbraucherschutzstandard durch die UCPD, also des Mindeststandards, nur wenig bis gar nichts verändert hat. In unserer Studie wird deutlich, dass der gefundene Vertrauensgewinn im Zeitverlauf deutlich stärker wird und im Jahr 2012 den Höhepunkt erreicht, während der Konsum konstant hoch bleibt. Generell zeigen die Ergebnisse, dass ein verbesserter und standardisierter Verbraucherschutz innerhalb der EU positive Effekte auf das Vertrauen gegenüber Einzelhändlern, Dienstleistern und durchsetzenden Behörden im eigenen Land, aber auch auf das (grenzüberschreitende) Online-Shoppingverhalten hat.

AUSWIRKUNGEN AUF DAS VERBRAUCHERVERHALTEN?

Um zu analysieren, wie sich die Mindeststandards auf das Verbraucherverhalten auswirken, haben wir unterschiedliche Daten verwendet: Zum einen wurden Befragungsdaten des Eurobarometers aus den Jahren von 2006 bis 2014 genutzt, um individuelle Meinungs- und demographische Variablen zu erhalten. Diese Daten waren insofern nötig, als dass sich Vertrauen nur schwer über andere Daten messen lässt als über Befragungsdaten. Zusätzlich haben wir einen Index genutzt, der das Verbraucherschutzniveau in dem jeweiligen Land angibt, bevor die UCPD eingeführt wurde. Dieser Index wurde von unabhängigen Verbraucherschutzexperten erstellt, um einen Vergleich zwischen Konsumenten in Ländern mit einem niedrigen Verbraucherschutzlevel und Konsumenten in Ländern mit höherem Verbraucherschutzlevel herzustellen. Schließlich haben wir Daten von Eurostat genutzt, die Ländercharakteristika der verschiedenen Mitgliedsstaaten beinhalten.

Wir argumentieren in Einklang mit der Literatur, dass die in der UCPD verankerten Mindeststandards im Verbraucherschutz, vor allem Konsumenten in Ländern beeinflussen, die einen initial sehr niedriges Verbrauchschutzlevel aufweisen. Das heißt, dass diese Länder überhaupt einen Effekt der UCPD spüren können, wohingegen die anderen Länder, für die sich ohnehin wenig bis gar nichts ändert, nicht von dieser Richtlinie betroffen sind. So können wir die Länder mit einem niedrigen Verbraucherschutzstandard als Behandlungsgruppe nutzen, während die übrigen Länder unsere Vergleichsgruppe darstellen. So messen wir im Zweifelsfall einen „Minimaleffekt“, den die Einführung der UCPD hervorruft. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Konsumenten in Ländern mit einem ursprünglich niedrigen Verbraucherschutzstandard durch die Einführung ein höheres Vertrauen in Einzelhändler, Dienstleister und die Durchsetzungsbehörden des jeweiligen Landes haben.

Zudem kauft diese Konsumentengruppe online mehr über die Landesgrenzen hinaus, aber innerhalb der Europäischen Union, ein. Allerdings finden wir explizit kein gesteigertes Einkaufverhalten für Online-Einkäufe im eigenen Land bei Konsumenten in Ländern mit einem initial niedrigen Verbraucherschutzlevel. Das ist auf den ersten Blick nicht intuitiv, da erwartet werden würde, dass, sobald der Verbraucherschutz im eigenen Land steigt, Konsumenten auch im eigenen Land mehr einkaufen. Ein naheliegender Grund für den empirischen Befund ist, dass Konsumenten mit dem Verbraucherschutzniveau im eigenen Land besser vertraut sind und weniger mit dem Verbraucherschutz im Ausland. Gerade die Unsicherheiten gegenüber letzterem wurden aber durch die UCPD reduziert, was eben gerade relevant für den Einkauf über die Ländergrenzen hinweg ist.

FAZIT

Die UCPD ist ein wichtiges Instrument für die Europäische Union, um den einheitlichen europäischen digitalen Markt zu stärken. Aus dieser Studie können wir auch Implikationen für andere marktweite Verbraucherschutzlevel ziehen, wie beispielsweise die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das ist besonders relevant, da auch diese besonders Verbrauchern in Ländern weiterhelfen wird, die bisher einen niedrigen Standard haben. Auch wenn dieser Mindeststandard nicht dazu beiträgt, dass sie mehr über den Verbraucherschutz im eigenen Land erfahren, werden bei den Verbrauchern Unsicherheiten bezüglich des ausländischen Standards reduziert. Die Kernidee ist, dass Verbraucher nicht mit den Regulierungen aller 28 (beziehungsweise 27) Mitgliedsstaaten der EU vertraut sind und die Informationsbeschaffung über diese Regulierung mit Kosten verbunden ist. Entsprechend reduziert eine Mindestharmonisierung Informationskosten für Konsumenten und stärkt damit Handel und Wettbewerb innerhalb der EU. Die Einführung von Mindeststandards im Verbraucherschutz hat das Vertrauen von Konsumenten in Einzelhändler und Dienstleister in anderen EU-Ländern signifikant verbessert und den grenzüberschreitenden Online-Einkauf angeregt. Zudem profitieren Konsumenten in Ländern mit einem ursprünglich sehr niedrigen Verbraucherschutzstandard von diesem Mindeststandard. Diese Konsumenten haben ein gesteigertes Vertrauen in Anbieter von Produkten und Servicedienstleistern, aber auch in die Durchsetzung des Verbraucherschutzes. Konsumenten kaufen eher in anderen EU-Ländern online ein, als vor der Einführung der Richtlinie. Interessanterweise beeinflusst die Richtlinie nicht das Online-Kaufverhalten im eigenen Land. Auch zeigen Konsumenten aus Ländern mit höheren Verbraucherschutzstandards keine Veränderung im Verhalten. Das ist plausibel, weil diese Konsumenten durch die Verschärfung der Minimalanforderungen in anderen Ländern kaum betroffen sind.

Dieser Beitrag wurde auch im DICE Policy Brief veröffentlicht.

DICE PUBLIKATION

Anja Rösner, Justus Haucap & Ulrich Heimeshoff (2020), The Impactof Consumer Protection in the Digital Age: Evidence from the European Union, International Journal of Industrial Organization, online verfügbar unter: doi.org/10.1016/j.ijindorg.2020.102585.

Kategorie/n: DICE-Meldung, Forschungkompakt